Freitag, 26. August 2016





Anyeta tut alles was in ihren Händen liegt, um ihr zu helfen. Sei es mit Rat, und auch mit heilenden Tees und Kräutern.
Sie tut es buchstäblich mit ihren Händen. Sie ist eine Magierin. Sie kann massieren, streicheln, Kräuter bestimmen und pflücken und daraus heilende Tees bereiten.

Sie hilft allen Rat suchenden, die bei ihr vorsprechen. Sie beschützt Samira vor neugierigen Eindringlingen und sorgt dafür, dass sie sich ausruhen kann und ihre Kräfte langsam wieder erlangt.

Auch Leon sorgt dafür, unmerklich aber trotzdem gegenwärtig.


Ihr Lieben, 

Lange ist es schon her, dass Ihr von mir gehört habt. Ich werde versuchen, hier regelmäßig zu schreiben und Euch berichten, wie es weitergeht mit Samira.

Ich schrieb zuletzt, dass Samira in der Türkei lebte. Richtiger ist es zu sagen, im Osmanischen Reich. Zu Ihrer Zeit, 1680 hatte das Osmanische Heer fast ganz Südeuropa erobert, sogar Rumänien und teilweise Bulgarien hatten sie unter ihre Herrschaft gebracht.

Ihr erinnert Euch, dass Samira am Meer angeschwemmt wurde, nachdem das Piratenschiff schiffbrüchig geworden war. Von den Piraten gab es keine Spur, Samira aber wurde wie durch ein Wunder von den Wellen ans Ufer gebracht. Am Strand von Silivri hatte Leon sie gefunden.

Sie fuhr nun mit den Romani, die ihr Zuflucht gewährt hatten in deren Vardo nach Rumänien. Die Großmutter Anyeta der beiden jungen Männer,  Leon und Mirko,  hilft Samira wieder gesund zu werden. Samira ist schwer traumatisiert, wie Ihr Euch vorstellen könnt. Es ist eine harte Zeit für sie, doch Anyeta tut alles was in ihren Händen liegt, um ihr zu helfen. Sei es mit Rat, und auch mit heilenden Tees und Kräutern.

Samira macht sich auch nützlich, sie kann nähen und so kümmert sie sich um das Flicken von Kleidung. 

Demnächst schreibe ich Euch, wie es weitergeht!



Freitag, 19. Februar 2016

Friday, February 2016

Good morning, dear friends,

Guten Morgen, liebe Freunde,

ich habe Euch lange vermisst und Ihr mich hoffentlich auch. Jedenfalls bin ich jeden Tag mit Amina beschäftigt und schreibe nun die Vorgeschichte zu "Aminas Welt" die Ihr ja schon kennt.

Zur Erläuterung, die Amina in der Vorgeschichte ist Samiras Amme, an die Samira sich in ihrem Exil immer liebevoll erinnert. Das führt dann dazu, dass sie ihr erstes Kind nach ihr nennt - Amina.

Aber soweit ist es noch nicht, wie Ihr wisst, wurde Aminas Mutter Samira geraubt, wurde als Schiffbrüchige gerettet und lebte dann in der heutigen Türkei, damals, im Jahr 1580,  das Osmanische Reich. 

Ich werde Euch hier von Zeit zu Zeit kleine Kostproben senden aus meinem Text und hoffe, Ihr gebt mir auch feedback...

hier nun aus dem Epilog, da springt Ihr mitten hinein in die Geschichte:




Der Tag des  Pfauenschreis im Garten blieb für immer in Samiras Gedächtnis eingegraben.  

Die Sonne war noch nicht aufgegangen.  Samira hatte eine unruhige Nacht erlebt, wenn sie die Augen öffnete, sah sie Gespenster, wenn sie sie wieder schloss, tauchte sie ein in unheimliche Träume, maskierte Männer verfolgten sie und lange Arme griffen nach ihr. Es gelang ihr jedes Mal, wegzulaufen und den Männern im letzten Augenblick zu entwischen. Sie bewegte sich in einer Wüste, kein Baum, kein Strauch bot Schutz. Heulender Wind trieb Sand vor sich her, Samira lief und lief und lief um ihr Leben.
Als sie erwachte, klebten die Nachtkleider an ihr,  sie hatte nur den einen Wunsch, sich abzukühlen, ins Wasser zu tauchen, ihr Gesicht am Springbrunnen im Garten ins Wasser zu halten.
Sie richtete sich auf und blickte um sich, alles war ruhig, nirgends sah sie diese schrecklichen Traumgestalten. Schnell holte sie frische Kleidung aus ihrer Truhe und warf die feuchten Nachtkleider auf den Boden. Schnell und lautlos kleidete sie sich an.
In jeder Minute, die sie wach war, wusste Samira, dass sie bis zum Äußersten aufmerksam sein musste. Ihre morgendlichen Ausflüge  zum Strand gehörten zu den Freiheiten, die sie sich nahm. Sonst konnte sie nur im Garten  herumstreifen, so weitläufig er auch war, blieb er ein Gefängnis, wenn auch luxuriös mit den Springbrunnen, freilaufenden Vögeln und alten schattigen Bäumen, unter denen Bänke zum Ausruhen warteten, stumme Zeugen vieler Ereignisse. Sie wurde ständig von ihrem  Diener Ahmed bewacht, zwar hielt er Abstand, er war aber da. Er folgte ihr überall hin, auch an den Strand.
Niemand war wach außer ihr. Im Nebenzimmer schlief ihre Amme Amina, die sich seit Kinderzeiten um sie kümmerte. Samira sehnte sich nach der frischen Meeresbrise, die würde ihren Kopf freiblasen von den unheimlichen Schemen, die sie im Traum verfolgt hatten. Schnell nahm sie noch ihren Spiegel, ein Kunststück aus geblasenem Glas, das die innere Metallschicht umhüllte. Sie blickte in ein blasses Gesicht, tiefe Schatten lagen unter ihren dunkelblauen Augen,  hellbraune Locken ringelten sich auf ihren Schultern.
Alles schien ruhig. So vorsichtig sie auch war, das  letzte bisschen Selbstständigkeit und Selbstbestimmung wollte sie sich nicht nehmen lassen. Sie schlich sich durch die Flure, dann die Treppen hinunter. Es war dämmerig, nur durch die schmalen Mauerschlitze, in die nicht mal ein Gewehrlauf passte,  drang etwas Licht hinein.

Ihre Mutter schlief in einem anderen Teil des kleinen Stadtpalastes, der einige Gänge von ihrem Raum entfernt war. Samira war froh darüber. Seit ihr Vater von den Osmanischen Eroberern umgebracht worden  war, quälten Depressionen und Weinanfälle ihre Mutter. Sie konnte die schrecklichen Szenen seiner Gefangennahme nicht vergessen, die Monate des Wartens und Hoffens, dass er zu ihr und Samira zurückkehren würde. Am Ende wurde ihr die Botschaft überbracht, dass man ihn getötet hatte. Sie erlitt sofort eine Fehlgeburt und war doppelt untröstlich.  Samiras Wunsch nach einem Bruder oder einer Schwester wurde wieder nicht erfüllt - es war nicht die erste Fehlgeburt ihrer Mutter.
Jeder wusste, dass man ihm  die Kehle aufschlitzte und ihn enthauptete, so wie es Osmanen zu tun pflegen, so, wie sie Tiere schlachteten, gingen sie auch mit Menschen um. Seitdem war ihre Mutter nicht mehr dieselbe gewesen. Es war schwer, dies jeden Tag auszuhalten. Einmal in der Woche kam der Arzt und redete Samira immer gut zu, geduldig mit ihrer Mutter zu sein. Samira half ihr, wann immer sie Hilfe brauchte, sie versuchte sie aufzumuntern, mit ihr im Garten spazieren zu gehen, dabei die Tiere zu beobachten. Es half wenig.
Sie erzählte ihr selten von ihren eigenen Morgenausflügen. Sie wollte die Warnungen nicht hören. Sie war sich so sicher, dass sie selbst auf sich aufpassen konnte.
Die Sonne erhob sich langsam aus der Horizontlinie. Wenn sie dieses Schauspiel sah, verstand sie immer, warum die  Ägypter die Sonne anbeteten und sie als Gott verehrten. Dieses Farbenspiel, diese unbeschreibliche Stimmungsvielfalt, die ein unsichtbarer Pinsel an die Leinwand des Himmels zauberte und das Tag für Tag, Jahr für Jahr, seit Urzeiten. Ehrfürchtig näherte sie sich der Gartenmauer, beinahe andächtig war ihre Stimmung. Weit in der Ferne bemerkte sie die Silhouette eines Segelschiffs, wie ein Scherenschnitt hob das Schiff sich ab gegen die Horizontlinie.
Sie kannte den Anblick der vorbeifahrenden Segelschiffe. Es waren oft Schiffe der gefürchteten Korsaren. Sie hatten die Seeräuberei an sich gerissen und operierten im Mittelmeer mit gefürchteten Raubzügen. Sie kaperten Schiffe der Hansestädte und fremden Ländern und forderten hohe Summen als Lösegeld für Sklaven und Waren. Sie brachten ihre Gefangenen dann zurück  nach Europa – hauptsächlich Frankreich, Spanien  und England, hatte man ihr erzählt.
Ein Reh kam näher und rieb seinen Kopf an ihrem Arm, gefolgt von zwei Pfauen, einem weißen und einem blauen. Lang schleppten die Schwänze hinter ihnen her. Ihre kleinen Köpfe ruckten in regelmäßigem Rhythmus nach vorn und zurück, sie schritten langsam und ruhig dahin. Bis einer von ihnen den Kopf hob und einen langgezogenen lauten schrillen Schrei ausstieß, noch zweimal,  dann flog er auf den nächsten großen Hibuskusbaum und blieb dort sitzen, fast unbeweglich, der Schwanz hing herab, die grün und blau schimmernden Federn vermischten sich mit dem orangeroten Blütenmeer des alten Baums.

Samira zuckte zusammen – dieser Schrei – das konnte nichts Gutes bedeuten. Ihr fielen vor Schreck die Ledersandalen aus der Hand und sie blickte hektisch um sich. Sollten die Schreie sie warnen? Ahmed war herbeigeeilt, ihrem treuen Diener entging nichts.
„Es ist nichts, Hoheit!“ sagte er schnell, „nur die Laune der Vögel!“
Samira nickte. Hoffentlich ist es so, wenn die Pfauen schreien, hat es immer einen Grund. Sie erinnerte sich an ihre Großmutter, die ihr das immer gesagt hatte.
Sie schaute hoch auf den Baum, der Pfau saß ruhig dort und blickte sie an aus seinen kleinen Augen.

Sie wollte sich den Morgen nicht durch den Pfauenschrei verderben lassen und war weiter zum Strand gegangen, wo sie langsam im tiefen Sand einen Fuß vor den anderen setze. Es war windstill, bloß ein leichter Lufthauch verfing sich in Samiras hellbraunen Locken, die sie zu einem losen Zopf geschlungen hatte. Sie hatte Gemälde gesehen, die Odalisken im Harem des Sultans in Konstantinopel zeigten, die alle diesen Haarstil trugen. Sie hatte auch viele Geschichten über diese wunderschönen Frauen gehört, die der Sultan um sich versammelte. Sie konnte sich nicht vorstellen, eine von vielen Ehefrauen eines einzigen Mannes zu sein und bemitleidete diese Wesen.
Sie war bei ihrem Baum angekommen, der seine dicken Äste über sie hielt und ihre elfenbeinfarbene zarte Haut vor der heißer werdenden Sonne schützte. Am Fuß seines Stammes bildeten zwei dicke Wurzeln eine Mulde, in die sie ihren Kopf betten konnte und ihren Blick über das Meer schickte. Sie trug immer ein Tuch bei sich, das sie falten konnte und ihren Kopf darauf legen, so dass der feine Sand seinen Weg nicht in ihr Haar finden konnte. Diese Zeit am Morgen gehörte ihr ganz allein, bevor sie ins Haus zurückkehren musste, um auf ihren Lehrer zu warten, der jeden Tag zu ihr kam. Sie hörte nur das Rauschen der Wellen, bewacht von Ahmed, der sich in der Hecke verbarg, die den Strand vom Garten abgrenzte. Dort beobachtete er sorgfältig die Gegend.