Freitag, 18. Dezember 2015



Aminas Weihnachten Teil 2

Sie holt ihr kleines Messer aus der Schürzentasche und geht zu den Lorbeerbüschen. Zum Glück ist noch kein Schnee gefallen stark und dunkelgrün steht der Lorbeer. Auch der Rosmarin ist so kräftig gewachsen. Sie streicht mit der Hand über die Zweige und das unvergleichliche Aroma steigt auf. Wie die Sterne blinken, da, einer zwinkert mir zu, und noch einer. Das sind Mamas und Papas Sterne. Eine große Traurigkeit überfällt sie, ein Wind fährt durch den Garten, sie zieht das Tuch eng um sich und möchte weinen, weinen, weinen. Ich darf nicht weinen, ich habe es doch gut, ich hungere nicht und Marco liebt mich, ich bin nicht allein auf dieser Welt. Sie blickt sich um. Sie sieht das große Herrenhaus und den Küchenanbau, etwas weiter weg die Ställe. Nur wenige Fenster im Herrenhaus sind erleuchtet, die Zeiten sind so schlecht, dass am Öl für die Lampen gespart werden muss. Ich muss zurück zu Hannah, das Beste kommt erst noch, wenn ich zu Marco gehen kann. Weihnachten, jedes Jahr feiern sie es, die Geburt Christi, sie wissen nicht, dass es mir gleichgültig ist und es  geht sie auch nichts an. Papa hat mir von den Christen erzählt und dass sie daran glauben, gut zu allen Menschen zu sein und ihnen zu helfen. Um mich herum ist alles anders. Die Pfaffen jagen unschuldige Frauen, weil sie so vieles wissen, wovon sie selbst keine Ahnung haben. Die Soldaten, die sich bekriegen und für Herrscher kämpfen, die nur an ihren Vorteil glauben und unschuldige junge Männer und Tiere in den Tod schicken. Warum? Die einen nennen sich katholisch, die anderen protestantisch. Was für ein Irrsinn. David hat mir alles erklärt und mir die Blätter gezeigt, wo alles drauf gedruckt ist, was geschieht. Und die Dichter beklagen es in ihren Liedern. David ist ein echter Freund und so klug. Er kann mir alles erklären, was in dieser Welt hier geschieht.
„Da bist Du ja endlich, Amina, ich warte schon auf dich, dass ich die Zweige in den Hasen legen kann 

und die Lorbeerblätter in die Suppe!“ ruft Hannah, als sie die Küche betritt. Sie legt die Zweige auf den 

sauber gescheuerten großen Eichentisch. Hannah schaut prüfend in Aminas Gesicht, das so traurig 

aussieht. 








„Ist ja schon gut, ich dachte nur, warum es so lange dauert!“ Sie nimmt Amina in den Arm. Wie dünn sie ist, fühlt Hannah, als sie den Körper des Mädchens spürt.
„Hier, Amina, iss, ich habe Äpfel gebraten und Lina hat heiße Milch gekocht, das wird dich wärmen und dir gut tun!“
„Danke, das ist so lieb von euch!“ bringt Amina heraus und ist schon wieder nahe am Weinen. Aber jetzt in der warmen Küche geht es ihr schon besser, sie löffelt die heiße Milch mit den gebratenen Apfelstücken.





„Bald ist unser Braten fertig, wir schaben schon die Wurzeln und kochen einen kräftigen Kohl, du wirst sehen, bald geht es uns allen besser, heute am Weihnachtsabend.“ Hannah schaut auf die jungen Mädchen und erinnert sich, als sie jung war. Da wussten wir noch nichts von Weihnachten. Da gab es keinen Krieg, wir hatten genug zu essen. Mein Urgroßvater hatte in den Bauernaufständen mitgekämpft und musste sich geschlagen geben mit all seinen Kameraden. Aber wir hatten genug, auch wenn wir in einer kleinen Kate wohnten. Aber jetzt, mit diesem schrecklichen Krieg, der schon seit 14 Jahren wütet und jetzt in unsere Gegend gekommen ist, da müssen wir jeden Tag Angst haben. Trotzdem – der Herrgott wird uns beschützen, wir leben ja etwas versteckt in diesem Winkel in Hörstein.


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