Samstag, 19. Dezember 2015



Sie geht wieder in Richtung Kräutergarten, ihre Augen gewöhnen sich schnell an die Dunkelheit, sie kennt ja ihren Weg, zum Gartenhaus, wo Marco auf sie wartet. Sie geht vorsichtig den dunklen Pfad entlang, am Kräutergarten vorbei, durch die kleine Pforte, die zum großen Teil des Gartens führt, zu den alten Bäumen auf der grossen Rasenfläche, am Ende sieht sie schon ein ganz schwaches Licht. Ein Talglicht, das nicht sehr hell brennt. Und ist das nicht Marco, der ihr da entgegenkommt? Ihr Schritt wird schneller, sie sieht die Umrisse eines Menschen klarer und hört ihren Namen – ja, es ist Marco, wie gut, dass sie das letzte Stück nicht allein gehen muss, „Amina, meine Liebste!“ und er hält sie ganz fest in seinen Armen, bedeckt ihr Haar, ihre Ohren, ihren Hals mit Küssen und hält sie so fest, als ob er sie nie mehr loslassen will. Es ist ihr, als ob sie schmilzt, als ob sie aufgeht in ihm. Dann nimmt er ihre Hand „komm, amore mio!“ und zusammen gehen sie ins Gartenhaus. 





Aminas Weihnachten Teil 3

„Kommt jetzt, Lina, Amina, helft mir beim Tischdecken!“ Geschwind decken alle den Tisch, die Holzschüsseln und Teller, alle haben ihren Löffel, jede kennt ihren. Die Tür geht auf, ein kalter Wind weht herein, Bodo und Dolf, die Knechte kommen, gefolgt von Barthel, dem Kutscher, der schon so lange den Edens dient.
„Gott zum Gruß!“ grüßen die Knechte und klopfen auf den Tisch. Ihre Kappen legen sie auf die Bank, die um den Tisch läuft. Bodo hält eine Flasche mit einer dunklen Flüssigkeit in der Hand, er stellt sie auf den Tisch.
„Die Martha hat’s mir geschenkt für unser Essen nachher, sie ist immer gut zu uns!“ Hannah nickt, sie hat auch noch eine Flasche, die sie später bringen wird.
Das Feuer brennt hell im Herdloch, der Herd verströmt eine  angenehme Wärme. In einem großen Topf brodelt der Kohl, in einem anderen das Wurzelgemüse und unten im Herd brät der Hasenbraten. Es duftet so gut.
„Es dauert nicht mehr lange, dann können wir essen!“ verkündet Hannah.
„Na, dann können wir ja schon mal etwas trinken!“ ruft Bodo und öffnet die Flasche mit seinem Messer. Alle schieben ihre Becher hin, nur Lina und Amina nicht.
„Ich trinke Hannahs Kräutertee“ murmelt sie. Lina nickt zustimmend. Sie ist die Stallmagd, Amina muss sie manchmal beim Melken vertreten, wenn Lina krank ist. Sonst hat sie nicht zu viel mit ihr zu tun, weil sie die zweite Kammerzofe bei Frau von Eden ist, Babette ist die erste. Babette kümmert sich um Frau von Edens persönliche Belange, während Amina die Zimmer von Anna, Frau von Edens Tochter und von der Herrin richtet und putzt. Babette hasst Amina und macht ihr oft Schwierigkeiten. Aber Frau von Eden kümmert sich nicht darum, sie erwartet, dass die Arbeit gemacht wird.  Heute muss Babette bei den Edens am Tisch bedienen, sie isst nicht in der Küche bei Hannah. Amina ist so erleichtert darüber. Sowieso denkt sie sie ganze Zeit an Marco und dass er auf sie wartet. Viel lieber wäre sie dort. Hier kann sie nur Hannah trauen, alle anderen meidet sie, wenn sie nicht mit ihnen arbeiten muss. Vor den Knechten hat sie Angst, aber keiner der beiden hat ernsthaft versucht, sich an ihr zu vergreifen. Das ist anders mit Arnulf von Eden, der ist so unberechenbar und schleicht sich an. Er rennt jeder Schürze hinterher. Aber heute hat sie Ruhe von diesen Plagegeistern, sie ist so froh. Hannah meint es gut mit ihr, sie merkt wie allein Amina sich fühlt und steht ihr bei, wenn sie kann.
„Setzt‘ euch Mädels,  hier zu mir, hier ist euer Tee“, damit füllt Hannah die Becher. „Kommt alle mit euren Tellern zu mir her“, ruft sie, „den Hasen zerteilen wir am Tisch, das Gemüse könnt ihr euch schon mal abholen.“
„Du bist einfach ein Goldstern, Hannah“, sagt Barthel. Die beiden sind schon am längsten auf dem Gut. Alle holen sich die das wunderbare heiße Essen, das Hannah auf ihre Teller füllt, der heiße Dampf erfüllt die Luft mit Wärme und köstlichem Duft. Hannah kann aus allem etwas zaubern, sie kennt sich aus. Sie bringt danach den Hasenbraten auf den Tisch, Barthel zerteilt ihn geschickt, so dass alle ein Stück bekommen.
„Den hat der Klas gebracht, lasst uns an ihn denken“, sagt Hannah. „Und nun lasst uns beten!“ Sie betet ein Dankgebet für das Essen, dass sie alle am Leben sind, dass sie bisher von Schlimmem verschont worden sind, keine Soldaten bei ihnen eingebrochen sind und dass sie ihr Tagewerk ruhig verbringen können.
Alle essen und kauen genüsslich, sie schmatzen und tunken mit Brot die Soße aus ihren Tellern. Ein wunderbares Essen, wie sie es lange nicht hatten. Sie reden wenig. Alle sind müde vom Tagwerk. Amina ist so müde, dass sie beinahe einschläft. Auch Lina sagt nicht viel. Schließlich sagt Amina, dass sie ins Bett möchte, bedankt sich bei Hannah, wünscht allen noch einen schönen Abend und eine gute Nacht und geht hinaus in die Nacht.